Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2016; 51(05): 344-351
DOI: 10.1055/s-0041-101906
Fachwissen
Anästhesiologie: Topthema
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Gutachtenfälle – Gutachtenbeispiele aus der Regionalanästhesie

Selected medical closed claims in the field of regional anaesthesia
Paul Kessler
,
Walter Schaffartzik
,
Johann Neu
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Publication Date:
23 May 2016 (online)

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Zusammenfassung

Arzthaftungsfälle aus dem Bereich Regionalanästhesie spielen zahlenmäßig bei den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern eine große Rolle. Ein Grund ist die zunehmende Anwendung rückenmarksnaher und peripherer Verfahren bei traumatologisch/orthopädischen Eingriffen. Nur in rund einem Viertel der Fälle lagen Behandlungs- oder Aufklärungsfehler mit darauf zurückzuführenden Schäden vor. In der Mehrzahl waren die Patientenansprüche unbegründet, da der entstandene Schaden angesichts des gutachterlich festgestellten sorgfältigen Vorgehens als Folge einer unvermeidbaren Komplikation anzusehen war, über die aufgeklärt wurde.

Abstract

Legal malpractice cases in regional anaesthesia comprise a significant number of all cases before the expert commissions and arbitration boards of the state medical associations. One reason for this is the increasing use of neuraxial and peripheral regional blocks in orthopaedics and traumatology. Only in about one fourth of the reviewed cases could either a causal relationship between substandard performance and patient injury or an inadequate obtaining of informed consent be established. In the great majority of cases patients' claims were unfounded, since the patients' injuries were adjudged to be unavoidable and adequate consent had been abtained prior to performance of the blocks.

Kernaussagen

  • Ein postoperativer Nervenschaden ist nicht zwangsläufig auf eine Leitungsblockade zurückzuführen. Mit Hilfe neurophysiologischer Verfahren lassen sich oft andere Ursachen beweisen.

  • Auch bei sorgfältigem Vorgehen lässt sich ein Nervenschaden als Komplikation einer Leitungsblockade nicht in jedem Fall verhindern.

  • Liegen patientenspezifische Risikofaktoren für eine Allgemeinanästhesie vor, ist über Behandlungsalternativen wie etwa eine Regionalanästhesie aufzuklären. Erfolgt dies nicht, liegt ein Aufklärungsversäumnis und damit keine rechtswirksame Einwilligung vor.

  • Die Aufklärung über den Wechsel eines Regionalanästhesieverfahrens im Einleitungsraum unmittelbar vor einem Elektiveingriff ist nicht zeitgerecht und die darauf beruhende Einwilligung daher nicht rechtswirksam.

  • Patienten mit einer Leitungsblockade der unteren Extremität sind einem erhöhten Sturzrisiko ausgesetzt. Darüber muss eine Aufklärung und deren schriftliche Dokumentation erfolgen.

  • Klagt ein Patient nach Spinalanästhesie über Parästhesien und Lähmungserscheinungen an den Beinen, muss eine zeitnahe Diagnostik zum Ausschluss eines Hämatoms stattfinden. Geschieht dies nicht, liegen Mängel in der Befunderhebung vor, die zu einer Beweislastumkehr führen.

  • Führt eine konservative Therapie zu keiner Besserung eines postpunktionellen Liquorverlust-Syndroms, ist dem Patienten nach wenigen Tagen der epidurale Blutpatch als wirksame kausale Behandlungsoption anzubieten.

Ergänzendes Material